Mittwoch, 18. Juni 2014

Die großen Zweifel am Topfavoriten Brasilien

Die Erwartungen waren gigantisch. Nicht nur 68 Prozent der Brasilianer glaubten vor der Fußball-Weltmeisterschaft an den Titelgewinn ihrer Nationalmannschaft im eigenen Land. Auch die Experten in aller Welt waren überzeugt, dass der Weg zum Titel bei dieser WM nur über Brasilien führen werde.
Die Lage hat sich nach zwei Auftritten der Seleção geändert. Während Mannschaften wie die Niederlande oder Deutschland rauschende Feste feierten, bot Brasilien bislang maximal Mittelmäßiges. Dem glücklichen, durch eine Schwalbe begünstigten 3:1-Auftaktsieg gegen Kroatien folgte am Dienstag ein 0:0 gegen Mexiko.
Damit verpasste der Gastgeber die Chance, sich frühzeitig für das Achtelfinale zu qualifizieren. Was auch am Trainer nagte. "Für uns war es kein gutes Resultat. Denn mit einem Sieg wären wir weiter gewesen", stöhnte Luiz Felipe Scolari.
Doch es war nicht nur das Ergebnis, dass ihn ärgerte, es war auch das Zustandekommen. Unumwunden musste Scolari von einem "gerechten Ergebnis" sprechen. Was für den Weltranglistendritten im eigenen Stadion gegen die Nummer 20 der Welt einem Eingeständnis der Schwäche gleichkommt. Kurzum: Brasilien hat bei der direkten Konkurrenz wenig Eindruck gemacht. Die Zweifel am großen Favoriten wachsen.

Offensiv einfallslos, defensiv anfällig

Wobei natürlich nicht alles schlecht war an diesem Abend in Fortaleza. Brasilien erspielte sich mehrere Großchancen und hatte das Pech, mit Guillermo Ochoaauf einen Torwart in Bestform zu treffen. Den verpassten Sieg aber nur am gegnerischen Keeper festzumachen, wäre zu einfach.
Offensiv präsentierte sich die Seleção relativ einfallslos, das Spiel ist zu sehr auf Superstar Neymar ausgerichtet, was die Brasilianer ausrechenbar macht. Stoßstürmer Fred hat nun schon den zweiten blutleeren Auftritt hingelegt, er war erneut harmlos und öffnete kaum Räume für die Mitspieler. Alternativen im Angriffszentrum aber gibt es kaum.
Defensiv zeigten sich die Brasilianer wie schon gegen Kroatien anfällig. Mexiko hatte gegen Ende durchaus selbst Chancen, das Spiel zu gewinnen. Und so passt es ins Bilde, dass sich der gegnerische Trainer mit dem 0:0 nicht gänzlich zufrieden zeigte. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir vielleicht noch etwas offensiver gespielt hätten", greinte Miguel Herrera.

Ein Punkt reicht zum Weiterkommen

Immerhin muss den Brasilianern zugutegehalten werden, dieses Lob gebührt vor allem Trainer Scolari, dass sie unter dem Druck einer Heim-WM auch am Ende nicht blindlings angelaufen sind und die Offensive vollends entblößt haben. Solch ein Spiel geht auch schnell mal verloren, was die Ausgangslage noch weitaus schwieriger gemacht hätte.
Brasilien und Mexiko haben nun vier Punkte, der Gastgeber führt die Tabelle wegen des besseren Torverhältnisses an. Im letzten Spiel gegen Kamerun, dies ist jetzt schon klar, reicht den Brasilianern ein Punkt zum Weiterkommen. Die Situation ist also rein tabellarisch nicht schlecht.
Emotional sieht es dagegen anders aus. Scolari hat eine Mannschaft geschaffen, die fest an sich glaubt. Er hat das Land hinter diesem Team vereint. Alles andere als ein Sieg gegen Kamerun könnte nun aber einen Stimmungsknick herbeiführen.

Erster Punktverlust für Scolari

Der wiederum könnte sportliche Folgen haben. Denn schon in einem möglichen Achtelfinale warten aus der Gruppe B große Gegner wie die Niederlande, Chile oder die Spanier, die nach der 1:5-Klatsche gegen die Holländer allerdings selbst noch den Nachweis erbringen müssen, dass sie noch ein großer Gegner sind.
Brasiliens Hoffnungen sind so oder so geschrumpft. Sie ruhen nunmehr vor allem auf Taktik- und Emotionsmeister Scolari, der vor dem Mexiko-Spiel alle acht WM-Spiele als brasilianischer Nationaltrainer gewonnen hatte. Auch diese Bilanz ist nun befleckt.

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